Presseaussendung des ÖVGD zur Einkommenssituation der Gerichtsdolmetscher*innen

„Die Justiz stirbt einen stillen Tod“ – Gezeigt am Beispiel der Gerichtsdolmetscher*innen

Wie recht hatte Justizminister Jabloner! Und in Österreich ist es besonders einfach, diesen stillen Tod herbeizuführen. Dies lässt sich an Hand der Gerichtsdolmetscher*innen ganz leicht darstellen.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Gerichtsdolmetscher*innen drastisch gesunken (seit 2006 halbiert), das Durchschnittsalter beträgt 60+. Man muss also nur mehr etwa zehn Jahre warten, dann werden auch diese zumeist freiberuflich tätigen Personen weggefallen und ein Berufsstand ausgestorben bzw. ausgehungert sein.

Warum stirbt mit den Gerichtsdolmetscher*innen die „Justiz“? Weil rechtsstaatliche Verfahren nicht ohne gut ausgebildete und befähigte Dolmetscher möglich sind.

Was macht das Justizministerium? Es legt im Vorsommer einen Diskussionsentwurf zur dringend fälligen Reform des Gebührenwesens vor, diskutiert diesen u.a. mit dem Gerichtsdolmetscherverband, macht diesem berechtigte Hoffnung auf die lang ersehnte und dringend notwendige Gebührenerhöhung, stellt Besserung der Situation in Aussicht und erarbeitet in der Folge eine Regierungsvorlage, in der zwar eine Novelle des Gebührenanspruchsgesetzes (das die Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher regelt) enthalten ist, die aber keinerlei Reform der Gebühren für Dolmetscher vorsieht. Die Dolmetscher*innen sollen also wieder einmal leer ausgehen. Sie kommen einfach gar nicht mehr vor.

Warum versetzt man damit dem Gerichtsdolmetscherwesen einen Todesstoß? Weil um den derzeit tariflich gebotenen Stundenlohn von rund 25 € brutto (wovon nach Steuer und Sozialversicherung etwa die Hälfte verbleibt) keine qualifizierten Sprachmittler mehr zu bekommen sind. Die Tarife nach dem Gebührenanspruchsgesetz wurden seit 2007 nicht mehr erhöht. Die Folge ist bekannt: es findet sich kaum mehr Nachwuchs für die Gerichtsdolmetscher und etliche Kolleg*innen werfen das Handtuch und suchen sich einen anderen „Job“, von dem sie überleben können. Es ist somit nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Dolmetschertätigkeit bei Gericht ausschließlich von ungeschulten Laien ausgeübt wird (wie zum Teil schon heute), denn bestqualifizierte junge Dolmetscher suchen sich nach Studienabschluss andere Berufe, von denen sie auch ihre Familien ernähren können. Die Absolvierung der anspruchsvollen Zertifizierungsprüfung, um in die Gerichtsdolmetscherliste aufgenommen zu werden, wird ja zunehmend unattraktiv.

Angesichts dieser Situation müssten eigentlich bei den Verantwortlichen in der Justiz und letztlich beim Gesetzgeber sämtliche Alarmglocken läuten und der dringende Handlungsbedarf sollte erkannt werden. Gerade von Justizministerin Zadić, die nach ihrem Amtsantritt den Eindruck erweckte, dass sie dem Gerichtsdolmetscherwesen ein besonderes Augenmerk zuwendet, haben sich die Gerichtsdolmetscher*innen erwartet, dass sie (im Gegensatz zu ihren Amtsvorgängern) nun endlich handelt und für die erforderliche Ausstattung des Gerichtsdolmetscherwesens sorgt. Aber leider war diese Hoffnung trügerisch. Viele leere Worte. Dass nun trotz höheren Budgets vom Justizministerium keinerlei Verbesserung der Gebührensituation des Gerichtsdolmetscherwesens geplant ist, hat zu einer ungeheuren Empörung der davon betroffenen Gerichtsdolmetscher*innen geführt. Sie fühlen sich vom Justizministerium verraten und verkauft.

Was sollen die Gerichtsdolmetscher*innen nun tun? Weitertun wie bisher? Aus sozialer Verantwortung herausfordernde Gerichtstermine wahrnehmen, obwohl zum Beispiel für eine Verhandlung in der Dauer von 4 Stunden kaum mehr als 100,- € Gebühr (brutto) für die Mühewaltung gezahlt wird? Oder sollen sie sich wehren, indem sie einfach die unbedankte und kaum honorierte Arbeit niederlegen? Die Stimmung unter den Gerichtsdolmetscher*innen deutet auf letzteres hin. Denn viele von ihnen möchten keinen „leisen Tod“ sterben, sondern wenn sie schon abgeschafft werden, dann wollen sie zumindest noch einen kräftigen Paukenschlag setzen. Dieser verheißt aber für den Rechtsstaat nichts Gutes.

Es liegt nun an der uns angeblich so wohlgesonnen Justizministerin und letztlich am Gesetzgeber, das Steuer im letzten Moment noch herumzureißen. Dies müsste aber tatsächlich in kürzester Zeit erfolgen, denn die lange strapazierte Geduld der (verbleibenden) Gerichtsdolmetscher*innen ist nun endgültig erschöpft.

 

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