Presseaussendung des ÖVGD zum Frauentag

Ist Dolmetschen und Übersetzen ein klassischer Frauenberuf? Die Antwort lautet: ja.

Ist Dolmetschen und Übersetzen ein klassischer Frauenberuf? Die Antwort lautet: ja.
Ganz deutlich manifestiert sich dies im Bereich der Dienstleistungen, die Sprachmittlerinnen für Gerichte und Behörden erbringen und wird von einer internen Statistik des ÖVGD (Stand 19.2.2020) in aller Deutlichkeit belegt: Von 531 Mitgliedern des ÖVGD sind 153 männlich und 377 weiblich, das entspricht 71 %!!

Die Überlegung drängt sich auf, ob die geringe und keineswegs wertschätzende Bezahlung dieser Berufsgruppe nicht auch daran liegt, dass diese extrem anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit vor allem von Frauen ausgeübt und manchmal sogar als Nebenjob für Hausfrauen betrachtet wird? Einziger Trost: die spärliche Entlohnung aus Amtsgeldern, die das Gebührensanspruchsgesetz vorsieht, kommt wenigstens für beide Geschlechter zur Anwendung und der Gender-Pay-Gap macht sich hier nicht so stark bemerkbar.

12,-- Euro netto für qualifizierte, selbständige Akademikerinnen

Der burgenländische Landeshauptmann bezeichnete kürzlich in einem Interview 10,--  Euro netto in der Stunde für Reinigungskräfte als „gerechten Lohn“. Rund 12,-- Euro netto für qualifizierte, selbständige Akademikerinnen mit besonderen sprachlichen, fachlichen, interkulturellen und sozialen Kompetenzen, die meist als EPU arbeiten, Tag und Nacht zur Verfügung stehen, z.T. auch psychischen Belastungen ausgesetzt sind, sich laufend auf eigene Kosten fortbilden und rezertifizieren müssen, sind allerdings nicht „gerecht“. Die meisten unserer Kolleginnen sind Einzelkämpferinnen und fühlen sich mittlerweile vom Staat ausgenützt, ungehört und allein gelassen.

Man darf vor allem auch nicht davon ausgehen, dass eine Gerichtsdolmetscherin diese Entlohnung hochgerechnet als regelmäßigen Monatslohn bekommt. Wenn man zudem die Entlohnung, die man für fachlich schwierigste schriftliche Übersetzungen für Behörden auf einen Stundenlohn umlegt, kommt man auf eine noch geringere Summe. Während alle Beamten und Beamtinnen der Justiz, des BVwG, der Polizei, des BFA und vieler anderer Behörden, bei denen Gerichtsdolmetscherinnen zum Einsatz kommen, ihr Gehalt regelmäßig am Monatsanfang oder -ende am Konto haben, warten Gerichtsdolmetscherinnen im besten Fall monatelang auf die Bezahlung ihrer Gebührennoten, oft dauert es auch Jahre und macht zeitaufwändiges, mühsames Nachhaken und Urgieren notwendig.

Forderung an die Justizministerin durch den ÖVGD

Der ÖVGD fordert nun auch bei der neuen Justizministerin die schon jahrelang ausständige Erhöhung der Tarife auf ein marktübliches Niveau und hat große Hoffnungen, dass im erhöhten Justizbudget kurzfristig endlich wenigstens die seit 2007 ausstehende Indexanpassung der Gebühren berücksichtigt wird. Diese wird jedoch keine Stundensätze mit sich bringen, wie sie in männlich dominierten Berufen üblich sind. Laut AK Wien kostete 2019 eine Installateurstunde im Schnitt 91,- Euro zzgl. Fahrtkosten und Material. Beträge von bis zu 150,-- Euro bei Handwerkern sind keine Seltenheit mehr. Der ÖVGD liegt also mit seiner Forderung, den Stundenlohn für Dolmetscheinsätze bei Behörden auf 100,- Euro anzupassen noch weit unter den Handwerkertarifen. Und Dolmetschen ist wahrlich kein leichtes „Handwerk“.

P.S.: May Wood Simons (1876 – 1948), die als eine der Initiatorinnen des Internationalen Frauentages gilt, war übrigens auch Übersetzerin.

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